Dienstag, 13. September 2011

Angekommen.

Oh Määäään. Krass, dass es schon über ne Woche ist, dass ich hier bin. Ich liebe alles und mir geht’s soooo gut. Aber zurück zum Anfang: Am 3. September 2011 war der erste Tag meiner siebenmonatigen DTS (Jüngerschaftsschule) in Herrnhut. An dem Tag der Anreise war es superheiß, der Himmel war wolkenlos und die Sonne tat voll gut.
Nach zwei Stunden Fahrt haben wir das JMEM-Gelände erreicht.
Überall sind englische Wortfetzen rumgeflogen. Im übertragenen Sinne natürlich. Man…ich hab mich echt gefühlt, als wäre ich in einem völlig anderen Land. Nur wüsste ich nicht genau welches Land das hätte sein sollen. Das ist hier echt so multikulturell.

Der Großteil der Leute kommt aus den verschiedensten Ecken der Vereinigten Staaten (Florida, Washington DC, ach keine Ahnung…ich bin in Geo ne Niete. Ammis halt. Verrückte, laute, liebenswerte Ammis.) Außerdem sind Leute aus Korea, GB, Rumänien, Taiwan, Ägypten, Äthiopien, Mexiko, Südafrika und ach, von überall hier. Insgesammt sind wir glaube ich ca. 130 Studenten. Davon kommen (jeder sagt was anderes…ich schätze es sind etwa) 20 aus Deutschland. Es ist also klar, dass wir die ganze Zeit englisch reden. Und ich hab mir dieses „OH that’s AWESOME“ „AMAZING!“ „GREAT“-Ding voll angewöhnt.

Am ersten Abend hatten wir ein BBQ. Um sich die Situation vorzustellen: Mengen von Leuten, die Sonne steht ziemlich Tief, die großen Bäume werfen vereinzelte Schatten auf die riesige Wiese auf der wir alle sitzen. Das Gras ist unser Stuhl und die Knie unser Tisch. Love it.
Danach gab es eine Outdoor-Worship-Session. Draußen wurde eine Bühne aufgebaut und ich habe es genossen, mit all den Anderen Gott aus meinem Herzen heraus zu singen, wie lieb ich ihn habe und ihm die Ehre zu geben.

Danach hat haben die Leiter von sich erzählt. Außerdem wurden uns unsere Kunst-Zweige (Tracks) vorgestellt. Ich habe mich für Photo-Journalismus entschieden.

Bei der Registration am Anfang wurde uns allen ein Zettel gegeben, auf dem stand, dass wir Schichten warmer Klamotten, Basic-Waschzeug und unseren Schlafsack mitbringen sollen. Als wir bei der Ankunft in den Hof gefahren sind, hab ich große Zelte gesehen und dachte deswegen beim Einpacken „Oh cool…wir haben ne coole Camping-Session.“

Am „Ende“ des Abends wurde uns einiges zum Thema Flüchtlinge erzählt. Ich dachte so: “Wooo..krass. Da denkt man ja nie so drüber nach.“ Da in Somalia gerade so ne heftige Hungersnot herrscht, versuchen sich unzählige Menschen in andere Lager zu retten. Ich hörte, dass es da ein Flüchtlingslager gibt, was für 9.000 Flüchtlinge ausgerichtet ist. Zur Zeit leben dort 400.000!! Es dauert oft Tage, bis sie drin sind und etwas zu essen bekommen. Und das nach einer unmenschlichen Reise zu Fuß.
Da viele der Menschen nicht mal Schuhe haben, sind ihre Füße meistens völlig aufgerissen und blutig. Eine Frau hatte den Weg nur mit Flip-Flops zurückgelegt. Aber sie war deswegen nicht etwa traurig oder wütend. Als sie ankam war sie überglücklich, denn sie empfand es als Privileg, nicht barfuß gelaufen zu sein müssen.

Plötzlich veränderte sich der Ton, der mir auf einmal echt ein bisschen Angst machte und die Atmosphäre switchte. Uns wurde gesagt, dass wir hier nun unser eigenes Flüchtlingslager aufbauen werden. Wir wurden in Gruppen aufgeteilt, bekamen jeder 2 Holzpflöcke, ein bisschen Schnur und eine Plastikplane. Das war alles. Ich war total so:“WAS?! Wie? WO?!“ Anschließend hätten wir ein wenig Zeit gehabt, unser Lager aufzubauen, bis das Licht ausgeht.
Von den Mädels hat natürlich keine ein Zelt aufgebaut. Meine „Zelt“-Genossinen und ich haben beschlossen, die rechteckige Plane auszubreiten, uns in die Mitte auf sie draufzulegen und die Enden über uns zu legen. Wie ne Art Sandwich quasi. Am Anfang war das echt okay. Später war alles um uns herum nass und kalt.
Am nächsten Morgen habe ich meinen Schlafsack mitgenommen und bin erstmal rein gegangen um aufs Klo zu gehen. Hab dann meine warmen Klamotten und den Schlafsack drinnen gelassen. Später saßen wir alle auf dem Basketballplatz und haben gegessen. Dann kam erneut eine Ansage. In dem immer noch krassen, militärartigen Ton wurde uns gesagt, dass einige von uns heute dumme Entscheidungen getroffen haben. Ich dachte:“Puh…zum Glück habe ich heute noch nichts Falsches gemacht.“ Wir wurden damit konfrontiert, dass wir immer noch Flüchtlinge sind. Und Flüchtlinge würden NIE das Wenige, was sie besitzen zurücklassen. Wir sollten auf dem Feld sitzen bleiben und alles, was wir weggebracht hatten, dürften wir die kommende Nacht nicht mehr verwenden. Außerdem sollten wir in dem markierten Bereich bleiben und dürften nicht mit der Außenwelt kommunizieren, uns waschen oder so was.
Ich dachte OKAY, das wird eine harte Nacht. Wir bekamen Mülltonnen auf den Platz gestellt und durften den Müll darin benutzen, um uns ein richtiges Zelt zu bauen. Zusätzlich zu der Plastikfolie + den Holzpfählen.
Wir haben uns dann ein ziemlich gutes Zelt bebastelt, mit allem was wir aus der Mülltonne fischen konnten.
Am Nachmittag sollten wir plötzlich alle aufstehen und uns in zwei Reihen aufstellen. Haben dann einen Marsch durch den Wald gemacht. Irgendwann wurde uns angeboten, dass wir zum Penny laufen könnten, um ein bisschen was zu futtern zu kaufen. Sind hingelaufen (auf dem Weg habe ich ein bisschen koreanisch gelernt) und als wir angekommen waren, war zu. Natürlich war zu. Es war Sonntag. Aber keiner hat daran gedacht. Das sollte uns so’n bisschen in die Situation führen, dass Flüchtlinge oft tagelang laufen im irgendwo Essen zu besorgen und wenn sie dort sind, ist es schon aufgebraucht.
Auf dem Rückweg sind wir dann an unserer WG-Wohnung vorbeigelaufen und hatten doch noch mal 3 Minuten Zeit, warme Sachen zu holen. Und meinen Schlafsack durfte ich auch aus dem Schloss rausholen. Man…ich hab mich noch nie so über meinen Schlafsack gefreut.
Am Abend sollten wir uns dann in Zweiergruppen aufteilen. Mit dieser Person sollten wir dann eine Essensschüssel teilen, in die unser Abendessen gegeben wurde. Besteck hatten wir natürlich keins. Wasser bekamen wir aus einer Konstruktion, die an einem Baum befestigt wurde. Doch wir sollten äußerst vorsichtig sein, denn wenn diese wackelige Konstruktion kaputt ginge, hätten wir kein Wasser mehr.
Am Abend haben wir dann noch mehr Input zum Thema Flüchtlinge bekommen. Außerdem hatten wir ne Zeit in Kleingruppen, wo wir uns austauschen und beten konnten. Später hatten wir ein Lagerfeuer, einige holten ihre Gitarre raus und einige von uns haben Lobpreis gemacht.
Unser Zelt haben wir für 9 Personen aufgebaut. Am Abend kamen dann noch weitere Leute an. Die hatten natürlich kein Zelt. Also wurden wir alle gebeten, ihnen Platz zu schaffen. Wir haben dann also noch ein Mädchen aufgenommen. Da einige keinen Schlafsack hatten, haben wir auch den geteilt. Die Schlafsäcke von uns, die einen hatten, lagen dann horizontal unter uns und ich glaube die Beine von 3 Mädels staken in meinem drin. Warm und komfortabel war echt was anderes. Das Gute war, dass wir SO eng zusammengequetscht waren, dass wir uns gegenseitig wärmen konnten.
In der zweiten Nachthälfte hat es dann angefangen zu stürmen. Später hat es geblitzt und ein richtig fetter Regen ließ auch nicht lange auf sich warten. Auf einmal kam die Achtung-Sirene und die Ansage:“Alle raus aus den Zelten!“ Ich hab mir meinen Schlafsack geschnappt und bin losgezogen, weil ich dachte, dass es jetzt richtig heftig wird und wir noch nen Marsch machen, oder draußen schlafen müssen oder so. Ich war echt total geschockt, als ich gecheckt habe, dass wir ins Schloss gehen dürfen. Das stand für mich irgendwie gar nicht zur Debatte. Musste dann natürlich noch mal durch den Regen zurückrennen, weil ich ja mein ganzes Zeug zurückgelassen habe. Haben dann alle zusammengequetscht auf dem Boden gepennt. Am nächsten Morgen wurde uns dann gesagt, dass wir die Flüchtlings-Simulation hier abbrechen müssen, weil es immer noch in Strömen regnet. Eigentlich war das alles für die ganze Woche geplant gewesen. Der Plan war, dass die Bedingungen immer schlimmer geworden wären, jmd. "gekidnappt“ würde, Krankheiten ausbrechen (die mit M&M’s als„Medikamenten“ behandelt worden wären) und wir wahrscheinlich so fertig gewesen wären, dass wir zum Schluss ne Revolution angezettelt hätten. Das alles konnte dann jedoch wie gesagt nicht stattfinden.
Erst war ich äußerst erleichtert, dann enttäuscht. Ich meine…zwei Tage nicht waschen, draußen schlafen und frieren ist trotzdem soo komfortabel. Ich mein…wir haben zu essen bekommen, hatten eine Plane über dem Kopf und so vieles mehr.
Ich habe das dann freiwillig weiter durchgezogen und habe die ganze Woche im Schlafsack auf dem Boden gepennt und (was mich echt herausgefordert hat) nicht geduscht/ Haare gewaschen. Klingt aber ekliger, als es aussah.
Ja…in der Woche hatten wir einen Sprecher, der über das Vaterherz Gottes geredet hat.

Der tagesablauf sieht folgendermaßen aus: Aus dem Bett hüpfen, blabla, zum Schloss laufen (ca. 20 Minuten), Frühstück, Stille Zeit (da bete ich oft mit den Mädels), Worship oder Prayersession, Teaching, Kaffee+Fruchtpause, Workduty (jeder hat ne praktische Aufgabe hier. Ich wasche mit einigen anderen Mädels nach dem Mittagessen ab) und ab und an Phototrack-Meeting. Sonst können wir unseren tagesablauf meist selber variieren. Um ca. 10 laufen wir dann wieder in unsere WG.

Am Samstag war ich mit einigen anderen aus dem Photo-Track in einer richtig krassen, zerfallenen Fabrik Fotos machen. Vlt. poste ich sie demnächst. Hab noch gar keine Gelegenheit gehabt, sie erstmal auf dem PC anzuschauen, geschweige denn zu bearbeiten.

Ich habe übrigens auch schon ein paar Gitarrenlessons bekommen. Ich mein…am Lagerfeuer Gitarrenstunden bekommen…besser geht’s eigentlich nicht.

Die Mädels in meiner WG sind auch alle echt toll. Und das mit dem duschen klappt widererwartet echt gut. Wir sind glaube ich ca. 15 Mädels und haben ein Badezimmer.

Einigen der Ammis haben wir sinnlose deutsche Sätze beigebracht. Einer meiner Lieblingssätze ist:“Du bist mein kleines Eichhörnchen“. Einer der Music-Track-Jungs hat nen Song drüber geschrieben. Der besteht zu 100% aus sinnlosen deutschen Sätzen.

Pah und gestern hatte einer Geburtstag, hat Eis uns Kekse gekauft und war hatten ne „Icecream-Party“.

Ich könnte noch so viel schreiben. Aber ich möchte die Zeit genießen und nicht die ganze Zeit vorm Laptop hängen. Das ist jetzt übrigens seit 1 ½ Wochen mein erster Internetkontakt.

Ich bin Gott so unheimlich dankbar, dass ich hier sein darf.

Ich denk an euch.